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Stellt ein Richter eine von ihm vertretene Mindermeinung als die nach deutschem Recht allein existierende dar, obwohl ihm die überwiegend vertretene Gegenansicht bekannt ist, stellt er die Rechtslage wissentlich falsch als unumstritten und einhellig dar. Hierdurch verletzt er das Gebot der Sachlichkeit und Fairness. Dies begründet aus Sicht einer vernünftigen
Partei einen Umstand im Sinn von § 42 Abs. 2 ZPO, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. |
OLG Stuttgart - 01.07.2020 - 16a W 3/20 |
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Eine Ablehnung wegen Befangenheit gemäß § 42 Abs. 2 ZPO kann begründet sein, wenn ein Richter in einem Verfahren zwar nicht selbst Partei ist, aber über den gleichen Sachverhalt zu entscheiden hat, aus dem er selbst Ansprüche gegen eine Partei geltend macht. |
BGH - 10.12.2019 - II ZB 14/19 |
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Entscheidet der abgelehnte Richter unter Verstoß gegen § 45 Abs. 1 ZPO selbst anstelle seines Vertreters über einen zulässigen Ablehnungsantrag, schlägt dieser Verstoß gegen den Anspruch auf den gesetzlichen Richter auf
die Endentscheidung durch, ohne dass es darauf ankommt, ob das Ablehnungsgesuch in der Sache begründet ist oder nicht. |
BFH - 16.10.2019 - X B 99/19 |
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Entscheidet ein Gericht des ersten Rechtszuges über ein gegen den gerichtlichen Sachverständigen gerichtetes Ablehnungsgesuch entgegen § 406 Abs. 4 ZPO erst in den Gründen seines Endurteils und nicht vorab durch gesonderten Beschluss, so stellt dies grundsätzlich einen Berufungsgrund dar. Das Berufungsgericht ist befugt, im Rahmen des Berufungsverfahrens inzidenter auch über die Berechtigung des Ablehnungsgesuchs zu befinden. Eine Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und Zurückverweisung an das Gericht des ersten Rechtszuges kommt nur unter den Voraussetzungen des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO in Betracht. |
BGH - 14.05.2019 - VI ZR 393/18 |
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Das Gericht ist nicht verpflichtet, das Verfahren bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auszusetzen, wenn eine Partei gegen den Beschluss, durch den ein Ablehnungsgesuch rechtskräftig abgewiesen wurde, Verfassungsbeschwerde eingelegt hat. |
BGH - 05.07.2018 - IX ZR 264/17 |
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Ein Sachverständiger kann wegen Besorgnis der Befangenheit auch dann abgelehnt werden, wenn er für einen nicht unmittelbar oder mittelbar am Rechtsstreit beteiligten Dritten ein entgeltliches Privatgutachten zu einer gleichartigen Fragestellung in einem gleichartigen Sachverhalt erstattet hat und wenn die Interessen der jeweiligen Par-teien in beiden Fällen in gleicher Weise kollidieren. |
BGH - 10.01.2017 - VI ZB 31/16 |
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Ein Ablehnungsgesuch gegen den zuständigen (Familien-)Richter wegen Besorgnis der Befangenheit kann - wie das Ablehnungsgesuch gegen einen Sachverständigen - nicht erfolgreich auf vermeintlich "fehlende Fortbildung" oder behauptete "fachliche Unkenntnis" gestützt werden.
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OLG Celle - 25.03.2013 - 10 WF 372/12 |
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Ein im Rahmen der richterlichen Fürsorge- und Hinweispflicht erteilter Hinweis begründet niemals einen Ablehnungsgrund. Die vom Gericht im Rahmen der Vorbereitung des Termins zur mündlichen Verhandlung geäußerte Rechtsauffassung kann, selbst wenn sie unzutreffend sein sollte, die Besorgnis der Befangenheit nicht begründen.
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OLG Köln - 08.05.2012 - 16 W 15/12 |
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Unmutsäußerungen auch salopper bis derber Art, mit welchen ein Richter seiner Enttäuschung darüber Ausdruck verleiht, dass der Geschäftsführer einer beklagten GmbH trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens nicht zum Verhandlungstermin erschienen ist, sind für sich genommen grundsätzlich nicht geeignet, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters in dem zwischen den Parteien zu entscheidenden Rechtsstreit zu begründen.
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OLG Stuttgart - 29.03.2012 - 14 W 2/12 |
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Ein Richter kann wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn sein Ehegatte als Rechtsanwalt in der Kanzlei tätig ist, die den Gegner vor diesem Richter vertritt. |
BGH - 15.03.2012 - V ZB 102/11 |
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Ein Befangenheitsgrund kann nicht daraus hergeleitet werden, Äußerungen des Richters ließen erkennen, er habe das Begehren des Beteiligten nicht erfaßt. |
LSG Schleswig - 12.11.2008 - L 5 AR 36/08 SAB |
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Eine ein Ablehnungsgesuch rechtfertigende Äußerung des Richters liegt nicht vor, wenn dieser sich in einem Hinweisbeschluß für mehrere und zum Teil in Fettdruck hervorgehobene Anregungen der Parteien zu weiterem prozessualen Vorgehen bedankt. |
OLG Saarbrücken - 07.08.2008 - 5 W 151/08-56 |
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Vergleicht ein Richter die Aussage eines Zeugen mit dem Charakter einer Comicfigur, begründet dies den Verdacht der Befangenheit. |
KG - 10.07.2008 - (3) 1 Ss 354/07 |
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Tritt der Ablehnungsgrund, auf den sich die Partei beruft, in der mündlichen Verhandlung zutage, so muß das Ablehnungsgesuch spätestens bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung gestellt werden. |
BGH - 05.02.2008 - VIII ZB 56/07 |
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Die Besorgnis der Befangenheit wird nicht allein dadurch begründet, daß ein Richter Erkundigungen über den Aufenthaltsort des Beklagten einholt, nachdem diesem die Klagschrift unter der angegebenen Adresse nicht zugestellt werden konnte. Dies gilt selbst, wenn der Richter Erkundigungen der Staatsanwaltschaft als Informationsquelle einbezieht. |
OLG Saarbrücken - 23.08.2007 - 5 W 150/07-48 |
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Für ein Ablehnungsgesuch, das sich im Tatbestandsberichtigungsverfahren gegen sämtliche Richter des Spruchkörpers richtet, besteht kein Rechtschutzinteresse. |
BGH - 11.07.2007 - IV ZB 38/06 |
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Eine Anweisung des Richters an die Geschäftsstelle, dem Gegner keine telefonischen Auskünfte über den Inhalt von Schriftsätzen zu erteilen, ist sachgerecht und rechtfertigt keine Richterablehnung. |
OLG Karlsruhe - 27.03.2007 - 14 W 9/07 |
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Gegen den Beschluss des Notarsenats eines Oberlandesgerichts, durch den ein Ablehnungsgesuch gegen einen Richter zurückgewiesen wird, ist die Rechtsbeschwerde auch dann nicht statthaft, wenn sie der Notarsenat in dem angefochtenen Beschluss zugelassen hat. |
BGH - 26.03.2007 - NotZ 49/06 |
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Über das Ablehnungsgesuch gegen einen zuständigen Einzelrichter einer Berufungskammer hat die Kammer in der Besetzung von drei Mitgliedern ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters zu entscheiden. |
BGH - 21.12.2006 - IX ZB 60/06 |
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Reagiert ein Richter in der mündlichen Verhandlung auf die Erwartung einer Partei, im Rechtsstreit vollumfänglich zu obsiegen, mit den Worten: "Da werden Sie sich aber wundern", rechtfertigt dies für sich betrachtet noch nicht den Vorwurf der Befangenheit. |
OLG Naumburg - 30.11.2006 - 10 W 86/06 |
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Bei einem erfolgreichen Ablehnungsgesuch werden die früheren Handlungen und Entscheidungen des abgelehnten Richters allein dadurch nicht unwirksam oder anfechtbar. |
BGH - 30.11.2006 - III ZR 93/06 |
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Bei einem nicht aufzuklärenden Widerspruch zwischen der Glaubhaftmachung der Partei und der dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters spricht nach der gesetzgeberischen Intention der Anschein gegen den Richter und dem Ablehnungsgesuch ist stattzugeben. |
OLG Stuttgart - 28.11.2006 - 3 W 83/06 |
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Die pauschale und einseitige Bezugnahme auf die Argumentation einer Partei in den Entscheidungsgründen eines erstinstanzlichen Urteils kann aus der Sicht der Gegenpartei die Besorgnis der Befangenheit begründen, wenn der erstinstanzliche Richter auch im Berufungsverfahren Mitglied des Rechtsmittelgerichts ist. |
OLG Schleswig - 23.08.2006 - 15 WF 226/06 |
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Der Umstand, daß eine Partei den Sachverständigen vor dreißig Jahren auf einer Fachoberschule unterrichtet hat, rechtfertigt keine Ablehnung des Sachverständigen wegen Befangenheit. |
OLG Celle - 02.08.2006 - 6 W 95/06 |
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Ein Streithelfer kann den im selbständigen Beweisverfahren tätigen Sachverständigen im Hauptsacheverfahren ablehnen, wenn für ihn im selbständigen Beweisverfahren die Möglichkeit einer Ablehnung nicht gegeben war. |
BGH - 23.05.2006 - VI ZB 29/05 |
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Über ein Ablehnungsgesuch gegen den zuständigen Einzelrichter hat die Zivilkammer ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters zu entscheiden. |
BGH - 06.04.2006 - V ZB 194/05 |
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Ein Ablehnungsantrag, der nicht nur offensichtlich unbegründet, sondern dessen Begründung völlig ungeeignet ist, eine Besorgnis der Befangenheit zu begründen, ist unzulässig. |
OLG Celle - 30.08.2005 - 1 Ws 310/05 |
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Die Verweigerung des Gerichts Erklärungen einer Prozeßpartei zu protokollieren, kann die Besorgnis der Befangenheit begründen. |
AG Bremerhaven - 22.07.2005 - 52 C 1622/04 |
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Über ein Ablehnungsgesuch gegen einen originären Einzelrichter hat dessen geschäftsplanmäßiger Vertreter und nicht die Zivilkammer in voller Besetzung zu entscheiden. |
OLG Oldenburg - 23.05.2005 - 15 W 21/05 |
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Über ein mißbräuchlich gestelltes Ablehnungsgesuch kann der Rechtspfleger selbst entscheiden. |
BGH - 14.04.2005 - V ZB 7/05 |
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Die versehentliche Verkündung eines als Entwurf gefertigten Urteils vor Ablauf einer Schriftsatzfrist, rechtfertigt nicht die Ablehnung des Richters wegen Besorgnis der Befangenheit. |
LG Traunstein - 25.02.2005 - 6 T 621/05 |
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Ergeben sich aus den Unterlagen einer Partei Anhaltspunkte dafür, daß der vom Gericht bestellte Sachverständige in derselben Sache tätig war, hat sie Erkundigungen anzustellen, ob der Ablehnungsgrund tatsächlich besteht. Unterläßt sie dies, verliert sie ihr Ablehnungsrecht. |
OLG Celle - 21.01.2005 - 3 W 6/05 |
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Siehe auch: Befangenheit |